Die Leitzinsveränderungen der Europäischen Zentralbank (EZB) haben nicht nur eine Wirkung auf die Preisstabilität, sondern einen deutlichen Umverteilungseffekt. In einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat DIW-Ökonom Jan Philipp Fritsche diesen Effekt erstmals empirisch untersucht. Dazu standen ihm Bilanzdaten von mehr als zwei Millionen Firmen im Euroraum zur Verfügung.
„Zinsänderungen der EZB haben Einfluss sowohl auf die Lohn- und Gehaltszahlungen als auch auf die Wertschöpfung von Unternehmen. Sind beide Bereiche nicht gleichermaßen betroffen, hat die Geldpolitik eine Verteilungswirkung zwischen ArbeitnehmerInnen und AnteilseignerInnen von Unternehmen“, sagt Studienautor Fritsche. Bei steigendem Leitzins geben die Banken weniger Kredite an Unternehmen aus. Für die Unternehmen werden dadurch einerseits Investitionen teurer, andererseits sinkt die Nachfrage. Um dies zu kompensieren, sparen die Unternehmen an Personalkosten.
Die empirischen Berechnungen zeigen, dass die Lohn- und Gehaltszahlungen in arbeitsintensiven Unternehmen bei Zinserhöhungen stärker sinken als in anderen Unternehmen. Dort, wo der Personaleinsatz also besonders hoch ist, geht eine Zinserhöhung zulasten der Arbeitnehmerschaft. Bei Unternehmen mit einem hohen Fremdkapitaleinsatz, also tendenziell mit vielen Maschinen, steigt bei einer Zinserhöhung die Wertschöpfung, was den Verteilungseffekt zulasten der ArbeitnehmerInnen vergrößert.
Dies gilt umgekehrt natürlich auch bei Zinssenkungen, wie in der letzten Dekade. Sinkende Zinsen beeinflussen die Verteilung zugunsten der ArbeitnehmerInnen und zulasten der AnteilseignerInnen von Unternehmen.
„Da es aus makroökonomischer Sicht wünschenswert ist, wenn die Geldpolitik gleichmäßig wirkt, sollten die europäischen Arbeitsmarktinstitutionen besser harmonisiert werden“ Jan Philipp Fritsche
Heterogene Wirkung in den Euro-Ländern abfedern
Da die Unternehmen in den Euro-Ländern in der Produktion Fremdkapital und Arbeit unterschiedlich stark einsetzen, kann die Geldpolitik sehr asymmetrisch wirken: In Ländern wie Frankreich, die über einen hohen Anteil an arbeitsintensiven Unternehmen verfügen, wirken Zinserhöhungen besonders umverteilend. „Da es aus makroökonomischer Sicht wünschenswert ist, wenn die Geldpolitik gleichmäßig wirkt, sollten die europäischen Arbeitsmarktinstitutionen besser harmonisiert werden“, fordert DIW-Ökonom Fritsche. Neue geldpolitische Instrumente mit einer speziellen Ausrichtung auf Unternehmen könnten Abhilfe schaffen. „Europäische Arbeitsmärkte mit einem einheitlichen Arbeitsrecht und europäische Arbeitsmarkinstitutionen sowie die seit langem diskutierte Banken- und Kapitalmarktunion könnten dazu beitragen."
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