Die Landesagentur für Leichtbau Baden-Württemberg präsentiert diese Innovation mit ihrem ThinKing im Oktober 2021. Mit diesem Label gibt die Leichtbau BW GmbH monatlich innovativen Produkten oder Dienstleistungen im Leichtbau aus Baden-Württemberg eine Plattform.
Auf einen Blick:
– Leichtere Bauteile: Die Rohgussteile sind ohne Designänderung bis zu vier Prozent leichter.
– Verbesserte Genauigkeit: Die Maßtoleranzen der Bauteile können deutlich kleiner ausfallen.Toleranzen im Bereich weniger Mikrometer sind möglich.
– Optimierter Materialeinsatz: Zum einen wird die Standzeit der Formen verlängert, zum anderen enthalten die Bauteile weniger (überschüssiges) Material.
– Geringere Kosten: Das Nacharbeiten der Bauteile in der Ebene sowie das Entfernen von Graten ist obsolet.
– Höhere Qualität: Geringere Porosität des Gussteils durch verbessertes Nachspeisen.
Beim Kaltkammer-Druckgießen wird eine flüssige Metallschmelze von einem Gießkolben in eine Form gedrückt und erstarrt dort zum Bauteil. Für die Formfüllung ist eine Geschwindigkeit von 20 bis 50 m/s notwendig, da die Metallschmelze andernfalls zu schnell erstarrt und die Form nicht korrekt ausfüllt.
„Diese Schnelligkeit kann man sich so vorstellen, als würde man die Badewanne zu Hause innerhalb von einer Sekunde füllen“, zieht Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Klein, Gründer und Geschäftsführer der Aage Aalener Gesellschaft für Leichtbauteile mbH, einen anschaulichen Vergleich.
Da die Metallschmelze inkompressibel ist, muss die kinetische Energie des Gießkolbens blitzschnell abgebaut werden. „In dem Augenblick, in dem die Form gefüllt ist, fährt der Gießkolben mit hoher Geschwindigkeit wie auf eine Stahlwand. Da geht es innerhalb des Bruchteiles einer Millisekunde von 5 Meter pro Sekunde auf null“, beschreibt Prof. Friedrich Klein die rohen Kräfte, die beim Kaltkammer-Druckgießen die Maschine jedes Mal hörbar erzittern lassen. Bisherige Lösungen nutzen zum Energieabbau die Hydraulik der Maschine und tolerieren die auftretende elastische Verformung der stählernen Gussform.
Stoßfänger aus Aluminium
Die Entwickler bei Aage Aalener Gesellschaft für Leichtbauteile mbH ersannen einen neuen Ansatz, der in einem ZIM1 Projekt in den Jahren 2009 bis 2011 erfolgreich gefördert wurde. „Unser System Gießkolben-Gießkolbenstange für horizontale Kaltkammer-Druckgießmaschinen besitzt eine Gießkolbenstange aus einer Aluminiumlegierung und absorbiert den Druckstoß am Ende der Formfüllung“, erklärt Dr. Norbert Südland, Leiter Qualitätsmanagement und Forschung, das Projektergebnis. Die Gießkolbenstange ist dabei so konstruiert, dass die Hülse nie wärmer als 30 °C wird. Nur der Gießkolben kommt mit der Schmelze von etwa 600 °C in Kontakt.
Mit einem E-Modul von 75.000 N/mm2 ist die Aluminiumlegierung der neuen Gießkolbenstange um ein Vielfaches elastischer als Stahl mit einem E-Modul von 220.000 N/mm2. Die Druckspitze am Ende des Gießvorgangs staucht deshalb die Gießkolbenstange, die als Knautschzone oder Stoßfänger fungiert und die kinetische Energie aufnimmt. Der entstehende Druckimpuls führt zur elastischen Verformung der Gießkolbenstange und nicht zum Aufreißen, zum Verformen der Druckgießform. Die Entwicklung der Aage GmbH ist durch Patent geschützt.
Leichtere Rohgussteile schonen Ressourcen
Da die Gussform keine Verformung erfährt, wird sie nicht „überfüllt“. Das Gussbauteil wird leichter. Beispielsweise können so bei einer Dichtplatte 150 g pro Formfüllung Aluminium eingespart werden – bei einem Bauteilgewicht von 4.000 g mit der leichten Gießkolbenstange aus Aluminium. Mit einer Gießkolbenstange aus Stahl wiegt dasselbe Bauteil 4.150 g.
Was beim einzelnen Bauteil wenig erscheint, summiert sich über die Stückzahlen. Das Kaltkammer-Druckgießverfahren ist eine sehr energieeffiziente Herstellungsmethode und wird deshalb für große Serien eingesetzt. Stückzahlen von 100.000 Teilen pro Jahr sind keine Seltenheit.
Gerechnet für das Beispiel oben werden durch den Einsatz der Gießkolbenstange aus Aluminium 15 Tonnen Aluminium pro Jahr eingespart.
Weniger Material freut Klima und Geldbeutel
Weniger Material schont das Klima besonders deutlich, weil bei Aluminium etwa 16 kWh/kg zur Erzeugung des Metalls aus Bauxit gerechnet werden müssen. Das kostet nicht nur, sondern hat auch Auswirkungen auf das Klima durch die entstehenden CO2-Emissionen aus der Energieerzeugung.
Da die Gießkolbenstange die Druckspitze aufnimmt, erfährt die Gussform keine Verformung. Die Maßhaltigkeit der Teile wird deshalb deutlich verbessert. Bisherige Maßtoleranzen bei Druckguss-Teilen betragen bei einer Bauteilgröße von 400 mm etwa 0,4 bis 0,5 mm. Die Abmessungen der Rohgussteile, die mit einer Gießkolbenstange aus Aluminium gegossen werden, sind bis auf wenige Mikrometer genau – und weisen zudem deutlich weniger Gratbildung auf.
Kleinere beziehungsweise weniger Gussgrate und eine verbesserte Maßhaltigkeit – vor allem über die Formteilung – bedeuten aber auch weniger Nachbearbeitung, deren Energiebedarf mit geschätzten 8 kWh/kg besonders hoch ist. Außerdem ist weniger Abfall für eine Gießerei bares Geld.
Viele weitere Effekte, die das Druckgießen attraktiver machen
Auf Ressourcen- und Kostenseite nicht zu unterschätzen sind auch die längeren Standzeiten der Gussformen, die sich ebenfalls in vielerlei Hinsicht positiv auswirken. Umwelt und Kalkulation freuen sich außerdem darüber, dass deutlich weniger Kolbenschmierstoff und Formtrennstoff benötigt werden.
Neben der hohen Maßhaltigkeit wirken sich die Reduzierung der Hilfsstoffe, eine verbesserte Nachspeisung und damit eine geringere Porosität sowie die niedrigeren Auswerferkräfte qualitätsverbessernd aus.
Kein Bauteil von der Stange
Unterstützt wurde die Entwicklung durch das Unternehmen Oskar Frech GmbH + Co. KG aus Schorndorf, das die Druckgießmaschine für die Versuche zur Verfügung stellte. In den letzten Jahren wurde das System aus Gießkolben und Gießkolbenstange, seine Abdichtungen und Prozessfähigkeit so verfeinert, dass heute Druckgießereien durch einen Austausch alle Vorteile der leichten Gießkolbenstange nutzen können.
Denn das System aus Gießkolben und Gießkolbenstange ist problemlos in fast jeder Druckgießmaschine nachzurüsten. Die Anwendung ist dabei branchenunabhängig, viele Gussteile finden sich in der Automobilbranche und dem Maschinenbau. Nach kompetenter Beratung durch die Aage GmbH werden die Komponenten auf den konkreten Anwendungsfall ausgelegt, angepasst und gefertigt.
Über Aage Aalener Gesellschaft für Leichtbauteile mbH
Die Aage GmbH ist eine Entwicklungsgießerei im Druckguss. Gegründet 2004 kann sie zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Metallguss GmbH und der Europäischen Forschungsgemeinschaft Magnesium e.V. auf über 30 Jahre Erfahrung beim Herstellen von Druckgussteilen aus Aluminium, Magnesium und Zink verweisen.
1 Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (https://www.zim.de/…)
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