Marktprämie beschert Betreibern erneuerbarer Energien Zusatzgewinne

Die steile Entwicklung der Gaspreise hat die Strompreise im vergangenen Jahr in bislang ungeahnte Höhen klettern lassen. Satte Zusatzgewinne gemacht haben die Betreiber von Anlagen für erneuerbare Energien – und zwar indirekt auf Kosten der VerbraucherInnen, die kräftig draufzahlen mussten. Grund dafür ist die geltende Politik der gleitenden Marktprämie, mit der den Betreibern fast aller geförderter Windanlagen und von rund einem Drittel der Solaranlagen eine Mindestvergütung für den verkauften Strom zusteht. In Zeiten von niedrigen Strompreisen werden die Erneuerbare-Energien-Anlagen zusätzlich gefördert: Im Falle von hohen Strompreisen wie jetzt winken zugleich unverhoffte Gewinne, die die Betreiber einstreichen dürfen. Die KonsumentInnen haben das Nachsehen: Obwohl sie bei niedrigen Strompreisen regenerative Energien über die EEG-Umlage über Jahre hinweg gefördert haben, sind sie im Gegenzug nicht gegen hohe Strompreise abgesichert. Hätte die Bundesregierung in der Vergangenheit bereits auf Differenzverträge (Contracts-for-Difference, CfDs) statt auf die gleitende Marktprämie für Wind an Land und Photovoltaik gesetzt, hätten auch die StromkundInnen davon profitiert: Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigen, dass die Stromkosten im vergangenen Jahr knapp 1,7 Milliarden Euro  geringer gewesen wären. Allein im Dezember hätte die Ersparnis bei etwa 750 Millionen Euro gelegen.

Infolge des rasanten Gaspreisanstiegs im zweiten Halbjahr 2021 haben sich die Großhandels-Strompreise im Jahresverlauf um mehr als den Faktor vier erhöht. Im Dezember hat der Strom im Großhandel fast 17 Cent pro Kilowattstunde mehr gekostet als im Januar (Abbildung 1). Aufgrund jährlicher Vertragsbindung zeichnet sich dieser Preisanstieg im Endkundenbereich nur mit Verzögerung ab, wird in Neukundenverträgen aber bereits sichtbar. Dies führt absehbar zu einer signifikanten Stromkostensteigerung für private und gewerbliche EndkundInnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Strombeschaffungskosten nur einen Bestandteil der Stromkosten darstellen und für Haushaltskunden durch Handelsmargen, Netztarife und Umlagen zusätzliche Kosten in Höhe von circa 24 Cent pro Kilowattstunde anfallen,info die unter anderem die EEG-Umlage einschließen.

Für Erzeuger von Strom sind diese Preisanstiege eine gute Nachricht. Sie können sowohl den erzeugten Strom, der in der Vergangenheit über lange Frist nicht verkauft wurde, zu hohen Preisen kurzfristig verkaufen oder neue Langfristverträge zu hohen Preisen abschließen. Nur Produzenten mit Gaskraftwerken erzielen wegen hoher Gaspreise weiterhin nur moderate Gewinnmargen.

In Abhängigkeit von der Erneuerbaren-Politik ergeben sich jedoch stark unterschiedliche Auswirkungen auf die Stromkosten der VerbraucherInnen, da die Kosten die EEG-Umlage bei steigenden Preisen unterschiedlich beeinflussen. In diesem DIW aktuell wird die hypothetische Situation untersucht, wie sich im Jahr 2021 das alternative Politik-Instrument des Differenzvertrags im Unterschied zur gleitenden Marktprämie für VerbraucherInnen, Wind- und Photovoltaik-Erzeuger ausgewirkt hätte.

Ein Differenzvertrag sichert Erzeuger und VerbraucherInnen ab

Das aktuelle Förderregime für erneuerbare Energien vergütet fast alle Windenergie-Anlagen und etwa ein Drittel aller Solaranlagen über die gleitende Marktprämie. Das bedeutet, dass die Betreiber von EE-Anlagen ihren Strom selbst (oder über Aggregatoren) vermarkten müssen. Die gleitende Marktprämie gleicht fehlende Erlöse bis hin zu einem anlagenspezifischen Mindestpreis – dem sogenannten anzulegenden Wert – aus (Abbildung 2). Dieser Mindestpreis wurde in der Vergangenheit von der Bundesregierung festgelegt und für neuere Anlagen in Ausschreibungen ermittelt.

Die nötige Marktprämie wird aus dem EEG-Konto gezahlt und letztendlich auf EndverbrauchInnen umgelegt.  Dabei kann die EEG-Umlage bis auf null fallen: und zwar dann, wenn die Markterlöse ausreichend sind, so dass alle EE-Anlagen ihren Mindestpreis überschreiten und keine Marktprämie ausgezahlt werden muss. In diesem Fall sind jedoch auch die Großhandelspreise hoch und werden indirekt über Stromlieferanten an die StromendkundInnen weitergegeben, inklusive des Zahlungsstroms, der an die EE-Anlagen geht. Die gleitende Marktprämie stellt somit eine asymmetrische Absicherung dar: Die Erneuerbaren-Energien-Anlagen sind gegen niedrige Preise abgesichert, StromkundInnen jedoch nicht im selben Maße gegen hohe Strompreise geschützt.

Im Gegensatz dazu stellen Differenzverträge eine symmetrische Absicherung dar. Wenn Strompreise unter dem Vertragspreis (dem anzulegenden Wert) liegen, funktioniert der Differenzvertrag identisch zur gleitenden Marktprämie. Wird der Vertragspreis jedoch überschritten, muss der Betreiber der EE-Anlage die überschüssigen Erlöse an das EEG-Konto abführen. Über Rückzahlungen könnte diese Einsparung dann an die EndkundInnen weitergegeben werden.info Je mehr Anlagen unter die CfDs fallen, desto stärker wirkt die Abschwächung des Strompreisanstieges.  Ein kompletter Ausgleich wäre bei 100 Prozent der Anlagen unter CfDs der Fall (Abbildung 2)

Darüber hinaus sorgen Differenzverträge für bessere Finanzierungsbedingungen und damit geringere Stromgestehungskosten beim Bau von EE-Anlagen: Während Investoren aktuell bei hohen Strompreisen und günstigen Kosten für Erneuerbare auf volatile Strompreise wetten müssen, um in Auktionen erfolgreich zu sein, haben sie unter einem CfD Erlös-Sicherheit. Dies erlaubt es ihnen in stärkerem Maße, günstiges Fremdkapitel aufzunehmen. Diese Unterschiede bei den Stromgestehungskosten können sich auf bis zu 30 Prozent belaufen.info

CfDs hätten Stromkunden im vergangenen Jahr fast 1,7 Milliarden Euro Ersparnis gebracht

Diese Studie analysiert, welchen Vorteil es für StromkundInnen gebracht hätte, wenn in der Vergangenheit Differenzverträge statt gleitende Marktprämien vergeben worden wären. Dabei werden wesentliche Faktoren der Technologien am Strommarktinfo sowie der Förderregimesinfo berücksichtigt, die dieses Ergebnis beeinflussen.

Für das Jahr 2021 insgesamt hätten sich für StromkundInnen unter der gleitenden Marktprämie Stromkostenvorteile in Höhe von fast 1,7 Milliarden Euro ergeben (Abbildung 4). Dabei zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen CfDs und gleitender Marktprämie erst in der zweiten Jahreshälfte auftraten (Abbildung 4), nachdem die Strompreise ab August merklich anstiegen (Abbildung 1). So hätten Stromkunden allein im Dezember circa 750 Millionen Euro unter CfDs eingespart.

Diese hypothetischen Einsparungen kommen dabei aktuell den Betreibern von EE-Anlagen zugute – und zu weitaus überwiegenden Anteil Windproduzenten, und zwar trotz eines sehr schwachen Windjahres. Dies liegt an zwei Faktoren: Zum einen sind die nun hohen Preise überwiegend im Spätherbst und Winter angefallen, wenn Solaranlagen wenig produzieren. Zum anderen, weil bis in die frühen 2000er Jahre zurück Windanlagen Vertragswerte (anzulegende Werte) hatten, die von Strompreisen im Jahr 2021 deutlich überschritten werden, während die Betreiber von Solaranlagen derselben Jahrgänge deutlich höhere anzulegende Werte hatten und daher weniger Geld an Stromkunden auszahlen würden. Dies ist jedoch für aktuell und zukünftig gebaute Anlagen nicht mehr der Fall: Alle in Auktionen der vergangenen Jahre ermittelten Preise (auch für Solaranlagen) wurden zuletzt von Großhandelspreisen deutlich überschritten. So würden auch Photovoltaik-Investoren unter CfDs aktuell signifikante Zahlungen an StromkundInnen leisten, die den aktuellen Strompreisanstieg abfedern würden. Dabei stellen diese Gewinne im Fall von Anlagen, die vor 2012 unter der alten Einspeisevergütung gebaut wurden, einen komplett unerwarteten Gewinn dar. Dies gilt vermutlich ebenfalls für später errichtete Anlagen, die unter der Erwartung des Marktprämienmodells gebaut wurden, da die aktuellen Gas- und Strompreisanstiege keine historische Präzedenz haben.

Wenn die aktuellen Strompreise anhand von Terminmarktprodukten fortgeschrieben werden und die Strompreise im Jahr 2022 auf einem Niveau von circa 17,5 Cent pro Kilowattstunde verbleiben, ergäbe sich für 2022 eine Differenz von etwa sechs Milliarden Euro zwischen gleitender Marktprämie und Differenzverträgen.info

Fazit: Umstellung der Ausschreibungen für neue Anlagen auf Differenzverträge würde viele Vorteile bringen

Contracts-for-Difference (CfDs) bieten im Vergleich zur gleitenden Marktprämie eine symmetrische Absicherung von Erzeugern und Verbrauchern. Wären in der Vergangenheit CfDs statt der gleitenden Marktprämie zum Einsatz gekommen, hätten sich 2021 Einsparungen von rund 1,7 Milliarden für StromkundInnen ergeben. In diesem Jahr könnten sich Ersparnisse von sechs Milliarden Euro ergeben. Auch in Großbritannien kamen in den vergangenen Jahren Differenzverträge zur Anwendung. Dort zahlen die Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien Geld an Energieversorger (und damit StromkundInnen) und halfen so, den Strompreisanstieg abzufedern.info

Dies spricht dafür, das System in Zukunft auf Differenzverträge umzustellen, um bei Neuanlagen nicht nur Erzeuger, sondern auch VerbraucherInnen gegen Strompreisrisiken, zum Beispiel wegen stark schwankender Erdgas-Preise abzusichern. Dies ist insbesondere wegen des Wettbewerbs im Endkundensegment sowie der maximalen Vertragslaufzeiten von zwei Jahren für HaushaltskundInnen relevant, die eine effektive langfristige Strompreisabsicherung nahezu ausschließt.

Differenzverträge haben jedoch nicht nur Vorteile für StromkundInnen, sondern sichern EE-Investoren auch langfristig günstige Finanzierungsbedingungen und -volumina durch Fremdkapitalgeber, die für den anstehenden massiven Ausbau von erneuerbaren Energien wichtig sein werden. Mit CfDs können die langfristigen Kosten aus neuen EE-Anlagen um bis zu 30 Prozent niedriger ausfallen als ohne eine Umstellung. Ausschreibungen können so ausgestaltet werden, dass sie auch bei Vergabe von Differenzverträgen einen Anreiz für systemfreundliche Auslegung, Technologie- und Standortwahl bieten.info

Weiterhin können Differenzverträge zu einer Stärkung der Terminmärkte und damit zur besseren Funktionsfähigkeit des Strommarktes einschließlich der Absicherungsinstrumente beitragen. Häufige und große CfD-Ausschreibungen schaffen eine große Sichtbarkeit auch für langfristige Preisentwicklungen für die Produktion erneuerbarer Energien. Sie können somit auch als Referenz die Preisfindung zum Beispiel für private PPAs (private Langfristverträge) unterstützen. Eine Vergütung mit einer gleitenden Marktprämie bietet keinen vergleichbaren Bezugspunkt, da sie Optionswerte beinhaltet und somit nicht direkt vergleichbar ist. Die teilweise Absicherung über immer weiter sinkende gleitende Marktprämien wäre hingegen nur mit deutlich komplexeren und schwer handelbaren Optionsverträgen kompatibel. 

Abstract

Die steile Entwicklung der Gaspreise hat die Strompreise im vergangenen Jahr in bislang ungeahnte Höhen klettern lassen. Satte Zusatzgewinne gemacht haben die Betreiber von Anlagen für erneuerbare Energien – und zwar indirekt auf Kosten der VerbraucherInnen, die kräftig draufzahlen mussten. Grund dafür ist die geltende Politik der gleitenden Marktprämie, mit der den Betreibern fast aller geförderter Windanlagen und von rund einem Drittel der Solaranlagen eine Mindestvergütung für den verkauften Strom zusteht. In Zeiten von niedrigen Strompreisen werden die Erneuerbare-Energien-Anlagen zusätzlich gefördert: Im Falle von hohen Strompreisen wie jetzt winken zugleich unverhoffte Gewinne, die die Betreiber einstreichen dürfen. Die KonsumentInnen haben das Nachsehen: Obwohl sie bei niedrigen Strompreisen regenerative Energien über die EEG-Umlage über Jahre hinweg gefördert haben, sind sie im Gegenzug nicht gegen hohe Strompreise abgesichert. Hätte die Bundesregierung in der Vergangenheit bereits auf Differenzverträge (Contracts-for-Difference, CfDs) statt auf die gleitende Marktprämie für Wind an Land und Photovoltaik gesetzt, hätten auch die StromkundInnen davon profitiert: Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigen, dass die Stromkosten im vergangenen Jahr knapp 1,7 Milliarden Euro geringer gewesen wären. Allein im Dezember hätte die Ersparnis bei etwa 750 Millionen Euro gelegen.

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