Drohende Nahrungsmittelkrise durch Krieg: Getreide für Ernährung der Menschen einsetzen – Tierzahlen zügig reduzieren

Durch die kriegsbedingten Auswirkungen auf den Agrarhandel mit der Ukraine und Russland drohen massive Engpässe bei der globalen Versorgung mit Getreide und Ölsaaten. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch warnt, dass große Preissteigerungen vor allem in importabhängigen Ländern des globalen Südens zu Hungersnöten und gesellschaftlichen Verwerfungen führen können. Das für morgen angesetzte Sondertreffen der G7-Agrarminister:innen müsse daher zügig umsetzbare Schritte zur Abwendung einer solchen Krise einleiten.

„Als wichtigste Maßnahme sollte beschlossen werden, weniger Getreide für Tierfütterung und Sprit einzusetzen, damit mehr für den menschlichen Konsum zur Verfügung steht“, fordert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. In Deutschland und Europa werden jeweils rund 60 Prozent des Getreides in Futtertrögen eingesetzt, weltweit sind es fast 40 Prozent. Hinzu kommen noch einmal 20 Prozent für Agrarenergie und andere Verwendungen. Bals: „Ein Großteil davon könnte auch direkt der menschlichen Ernährung dienen und damit den Ausfall der Exporte aus der Ukraine und aus Russland zu großen Teilen kompensieren.“

Überdies müsse jetzt ein konkretes Unterstützungspaket für die armen Länder des globalen Südens geschnürt werden. „Die G7 steht hier in der Pflicht“, betont Bals. „Der Westen hat noch vor der UN-Generalversammlung von den ärmeren Ländern die notwendige Solidarität mit der Ukraine und der EU eingefordert. Im Gegenzug können diese Länder nun die Solidarität der Industrieländer erwarten.“ Der Wegfall der Exporte aus der Ukraine und aus Russland betrifft kurzfristig vor allem Länder im Nahen Osten und in Nordafrika, die nicht genug produzieren können um ihre Bevölkerung zu ernähren. Auch das Welternährungsprogramm muss den allein gegenüber 2021 verdoppelten Bedarf für seine Nothilfeprogramme nun aus anderen Quellen decken.

Bals: „Die EU und die G7 müssen sich dazu verpflichten, die Ausfälle für das Welternährungsprogramm zu kompensieren und die Versorgung der importabhängigen Länder kurzfristig sicherzustellen. Die meisten derzeit auf Importe angewiesenen Entwicklungsländer in Afrika und Asien müssen dabei unterstützt werden, ihre eigene Erzeugung mit ökologisch angepassten, nicht auf teurem Dünger und Pestiziden basierenden Methoden zu steigern. Dazu müssen EU und G7 ihre Entwicklungszusammenarbeit ausbauen.“

Intensivierte Landwirtschaft wäre der Weg in noch größere Krisenanfälligkeit

Konstantinos Tsilimekis, Leiter des Teams Welternährung, Landnutzung und Handel bei Germanwatch, ergänzt: „Der falsche Weg wäre es nun, die Landwirtschaft in Europa weiter zu intensivieren und auf ökologische Rahmenbedingungen zu verzichten. Das wäre nicht nur ökologisch kontraproduktiv, es würde damit auch auf eine besonders krisenanfällige Landwirtschaft gesetzt. Der drastische Anstieg der Preise für bislang vor allem aus Russland importierten Mineraldünger wäre dort nämlich ein zusätzlicher Preistreiber.“

Es müssten nun Anreize geschaffen werden, die Tierzahlen zügig zu reduzieren. „Ähnlich wie in der Milchpreiskrise Mitte des letzten Jahrzehnts könnte tierhaltenden Betrieben eine Prämie gezahlt werden, damit sie ihren Tierbestand freiwillig reduzieren“, schlägt Tsilimekis vor. „Die Europäische Agrarpolitik bietet dafür Möglichkeiten.“

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