Freie Sicht im Gabelstapler dank AR-Brille

Mehr als 10.000 Unfälle mit konventionellen Gabelstaplern gibt es jedes Jahr allein in Deutschland. Das liegt vor allem an der eingeschränkten Sicht: Die Ladung, der Hubmast und die Säulen des Staplers versperren den Blick. In Zukunft soll Augmented Reality (AR) für Durchblick am Steuer sorgen und die Sicherheit erhöhen. Auf dem Display der AR-Brille, welche die Person am Steuer trägt, werden Kamerabilder aus der Umgebung eingeblendet. Dadurch erscheinen Hindernisse transparent. Die virtuelle Sichtverbesserung ist das Ergebnis des Forschungsprojekts „ViSIER“. Marktreif ist das System zwar noch nicht, doch es zeigt das große Potenzial von AR für die Logistik.

Mit einer AR-Brille, zahlreichen Kameras und Bewegungssensoren ist es Forschenden aus Hannover gelungen, Sichteinschränkungen am Steuer eines Gabelstaplers auszugleichen. Das Bedienerassistenzsystem ist Ergebnis des Projekts „ViSIER – Virtuelle Sichtverbesserung und intuitive Interaktion durch Erweiterte Realität an Flurförderzeugen“. Das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) gGmbH und das Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover haben das Projekt gemeinsam bearbeitet und ihre Forschungsergebnisse in einem Demonstrator-Fahrzeug umgesetzt (siehe Fotos und Video).

Die virtuelle Sichtverbesserung, welche die Forschenden entwickelt haben, basiert auf AR. Staplerfahrer:innen setzen sich zukünftig mit AR-Brille ans Steuer. Auf dem Display der Brille werden Kamerabilder aus der Umgebung eingeblendet. Dadurch erscheinen Hindernisse wie Hubmast und Ladung durchsichtig.

Voraussetzung für die virtuelle Sichtverbesserung sind mehrere Kamerasysteme, die die Forschenden strategisch am Fahrzeug angebracht haben. Aus den Kamerabildern wird eine einschränkungsfreie Rundumsicht errechnet. Gleichzeitig erkennen Bild- und Bewegungssensoren in der Brille, in welche Richtung die Person am Steuer schaut. So ist es möglich, den korrekten Ausschnitt aus den Kamerabildern zu wählen und damit die tatsächliche Sicht des Fahrenden zu überlagern, sodass sowohl feste als auch bewegliche Hindernisse zu verschwinden scheinen.

Bis zur Marktreife des Systems sind noch einige Optimierungen notwendig. Die Sichtverbesserung muss in Echtzeit erfolgen statt wie bisher mit einigen Sekundenbruchteilen Verzögerung. Für den industriellen Einsatz sind daher eine schnellere Bildübertragung sowie robustere Kameras und bessere AR-Brillen notwendig, als derzeit am Markt verfügbar sind.

Dennoch zeigen die Forschungsergebnisse eindrücklich, was für ein großes Potenzial AR für die Logistik bietet. Zum einen erleichtert die virtuelle Sichtverbesserung Staplerfahrer:innen die Arbeit. Insbesondere in schwer einsehbaren Bereichen, wenn Personen den Weg kreuzen sowie beim Ein- und Auslagern kann das Risiko für Unfallschäden deutlich gesenkt werden. Zum anderen vergrößert sich der Spielraum bei der Konstruktion von Gabelstaplern. Wenn die AR-Brille für Durchblick sorgt, sind völlig neue Lösungen für Hubvorrichtungen und Ladehilfsmittel denkbar, die bislang aufgrund der zu stark eingeschränkten Sicht nicht umsetzbar waren. Langfristig lässt sich das System auch auf andere Bereiche übertragen – etwa auf Bagger, Krane und Straßenfahrzeuge – und kann auch dort Sichteinschränkungen kompensieren.

Über die IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover gemeinnützige GmbH

Das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) gemeinnützige GmbH forscht und entwickelt auf dem Gebiet der Produktionstechnik. Gegründet wurde das Unternehmen 1988 aus der Leibniz Universität Hannover heraus. Das IPH bietet Forschung und Entwicklung, Beratung und Qualifizierung rund um die Themen Prozesstechnik, Produktionsautomatisierung, Logistik und XXL-Produkte. Zu seinen Kunden zählen Unternehmen aus den Branchen Werkzeug- und Formenbau, Maschinen- und Anlagenbau, Luft- und Raumfahrt und der Automobil-, Elektro- und Schmiedeindustrie.
Das Unternehmen hat seinen Sitz im Wissenschafts- und Technologiepark – Science Area 30X im Nordwesten von Hannover und beschäftigt aktuell ca. 75 Mitarbeiter, etwa 30 davon als wissenschaftliches Personal.
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