Tarifzwang in der Pflege als Allheilmittel?

Das von Jens Spahn als eine der letzten Amtshandlungen als Bundesgesundheitsminister auf den Weg gebrachte Gesetz mit dem vielversprechenden Namen „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, kurz GVWG, sorgt in der Pflegebranche für Aufregung. Seit September erhalten nun die Mitarbeiter*innen in der Pflege teilweise deutlich höhere Löhne. Das ist zwar zu begrüßen, aber die steigenden Personalkosten zahlen am Ende alle.

Haben wir nicht jahrelang nach einer Aufwertung des Pflegeberufes und einer besseren Vergütung gerufen? Also weshalb nun die eher verhaltende Euphorie? Ganz einfach. Weil wir uns als Träger ungern in eine Tarifbindung zwängen lassen. Und schon gar nicht im Eiltempo. Natürlich haben wir uns im Unionhilfswerk sehr gefreut, als klar wurde, dass die Kostenträger ab 1. September 2022 höhere Personalkosten akzeptieren müssen. Das steht eindeutig auf der Habenseite. Aber dass wir uns dafür entscheiden müssen, entweder einem Tarifvertrag beizutreten, unsere Löhne einem gängigen Tarifvertrag anzulehnen oder ein von den Kassen veröffentlichtes regionales Durchschnittstarifniveau zu zahlen, grenzt an Entmündigung.

Die Kassenbeiträge werden für alle angehoben

Wir haben uns für das regionale Durchschnittstarifniveau entschieden. Etwas Anderes scheint in der Kürze der Zeit gar nicht abbildbar. Die von den Kassen dazu veröffentlichen Durchschnittslöhne liegen deutlich über unserem derzeitigen Lohngefüge, der Sprung bei Pflegekräften ohne Ausbildung liegt teilweise bei 40 %. Keine Ausnahme, wenn man sich in der Branche umhört. Freuen wird es die Mitarbeiter*innen, daran besteht kein Zweifel. Aber wer bezahlt die Preisexplosion am Ende? Das sind zum einem unsere Kunden, da die Eigenanteile deutlich steigen. Somit auch der Anteil der Sozialhilfeempfänger. Zum anderen werden die Kassenbeiträge für alle angehoben werden müssen, anders ist eine dauerhafte Refinanzierung dieser enormen Kosten nicht machbar. Welche Auswirkungen die höheren Kosten auf das Kundenverhalten haben werden, bleibt abzuwarten. Das ist die Kehrseite der Medaille. Fragt man mich nach meiner ganz persönlichen Sicht auf die Dinge, so halte ich es mit Johann Wolfgang von Goethe: „Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust…“.

Ein klar definierter Stufenplan wäre besser gewesen

Wir hätten uns mehr Zeit gewünscht, um die in Teilen deutliche Lohnsteigerung für unsere Mitarbeiter*innen, die wir im Grundsatz befürworten, umzusetzen. Ein klar definierter Stufenplan wäre aus unserer Sicht für alle Seiten vertretbar gewesen. Aber leider ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.

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