Smart Composites bestehen aus Werkstoffen, deren Funktionalisierung durch die Integration oder Applikation elektrisch leitfähiger Komponenten, z. B. Sensoren oder Mikroprozessoren, erreicht wird. Dazu zählen zum Beispiel smarte Textilien, die elektronisch wärmen, Lichtsignale geben oder zur Datenübertragung genutzt werden können. Das breite Anwendungsspektrum und die vielseitigen Einsatzgebiete dieser intelligenten Verbundwerkstoffe und Multimaterialverbunde werden perspektivisch zu einem wachsenden Bedarf und einer stärkeren Nachfrage führen. Die funktionale und vielschichtige Verbindung verschiedener Materialien wie Kunststoff, Metall und Textil wirft allerdings beim Thema Recycling Nachhaltigkeitsfragen auf. Im Erzgebirge werden dafür bereits heute Lösungen entwickelt. Im Rahmen des WIR!-Projektes SmartERZ ist das Verbundprojekt TRICYCLE entstanden. Mit dem Fokus auf den Strukturwandel im Erzgebirge haben sich acht ortsansässige Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammengetan, um ein Recyclingkonzept aufzustellen und die Grobplanung für eine erzgebirgisches Recycling Center zu entwickeln. Das Ende des Produktlebenszyklus und die Nachnutzung bzw. Wiederaufbereitung stehen dabei im Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses. Im Ergebnis sollen effektive und maßgeschneiderte Maßnahmen für eine möglichst hochwertige Wiederverwendung entstehen. Diese sollen dem steigenden Aufkommen an Abfällen aus diesem wachsenden Bereich der deutschen Industrie begegnen und anwendungsbereit sein. Klassische Herausforderungen für die Projektbeteiligten sind die irreversiblen Verbindungstechniken (z. B. Kleben, Faser-Matrix-Haftung), die Integration vieler verschiedener Materialien in geringen Mengen sowie Form und Größe der Bauteile. Eigene Untersuchungen sowie Feedback von Partnerunternehmen bestätigen die Notwendigkeit sowie den Nutzen eines passgenauen Recyclingprozesses für Smart Composites und intelligente Multimaterialverbünde. Das Projekt trägt dazu bei, den Wirtschaftsstandort Erzgebirge attraktiver und zukunftsfähiger zu gestalten.
Gestartet am 1. September 2021 kann TRICYCLE bereits erste Ergebnisse vorweisen. Zunächst wurden die Bedarfe bei mittelständischen Unternehmen in der Region Erzgebirge abgefragt, um die aktuellen Gegebenheiten und den Status quo in Bezug auf technologische Recyclingkonzepte bestmöglich abzubilden. Für ein fundiertes Recyclingkonzept hat das TRICYCLE-Team drei Referenzbauteile für den vorgesehenen Prozess ermittelt, die in der erzgebirgischen Wirtschaft Verwendung finden, und folgenden Bereichen zugeordnet: Automotive, Technische Textilien mit applizierter Zusatzfunktion und Technische Textilien mit integrierter Zusatzfunktion. Basierend auf dieser Auswahl, analysiert das Projektteam momentan die Herstellungs- und bisherigen Recyclingprozesse der Referenzbauteile. Das beinhaltet auch die Planung praktischer Versuche zum Recycling. Dabei fokussieren sich die Projektpartner auf ihr Know-how in verschiedenen chemischen, thermischen und mechanischen Prozessen zur Separierung, Rückführung und Wiederverwendung der eingesetzten Materialien. Um die Produkte den Recyclingtechnologien zugänglich zu machen, wurde die Herangehensweise innerhalb des Projekts angepasst, da insbesondere Textil aufgrund von Form und Struktur (z. B. endlose Struktur) herausfordernd sein kann. Obwohl die Materialien selbst recycelbar sind, müssen diese dennoch für den Prozess optimal vorbereitet bzw. fachgerecht aufbereitet werden. Die Expertise und Technologiekompetenz, die hierfür benötigt wird, ist bei den beteiligten erzgebirgischen Projektpartnern durch jahrzehntelange Erfahrung und zahlreiche Innovationen vorhanden. Das Zusammenspiel aller Beteiligten im Projekt TRICYCLE stellt bereits jetzt die Weichen für das geplante Recycling Center, um dieses später zum Drehkreuz zwischen regionalen Produktionsunternehmen und dem Recycling weiterzuentwickeln.
Das Partnerunternehmen Curt Bauer GmbH in Aue (Erzgebirge/Sachsen) produziert seit über 130 Jahren Heimtextilien, Bekleidungsdamaste und Objekttextilien. In der fünften Generation des inhabergeführten mittelständischen Familienunternehmens hat sich die Geschäftsführung der Herausforderung der Fertigung Technischer Textilien gestellt. Für dieses Marktsegment werden bereits Textilien für Kraftfahrzeuge, Thermosysteme oder akustische Dämmung hergestellt. Diesbezüglich arbeitet das Unternehmen kontinuierlich an technologischen Prozess-Innovationen mit Forschungspartnern. Den Geschäftsführer, Gert Bauer, beschäftigt das Recycling von Abfällen schon geraume Zeit. „Die Kosten für die Entsorgung derartiger Abfälle sind hoch. Motiviert durch unser wachsendes Produktportfolio bei den Technischen Textilien, die perspektivisch auch funktionalisiert werden sollen, müssen wir die optimierte Entsorgung vorantreiben, um weiter in der TechTex-Branche zu wachsen.“ Bei klar definiertem Herstellungsprozess kann darauf aufbauend ein geeignetes, effizientes Recyclingkonzept entwickelt und in die Umsetzung überführt werden. Parallel dazu fließen bereits erste konzeptionelle Überlegungen in die Grobplanung eines erzgebirgischen Recycling Centers ein. Dieses soll als „Open Factory“ aufgebaut werden, um den Unternehmen des SmartERZ-Bündnisses bzw. perspektivisch der Region Erzgebirge eine gemeinsame Nutzung zu ermöglichen. Die Entwicklung des Recyclingkonzepts und die konzeptionelle Planung des „SmartERZ Smart Composites Recycling Centers“ verschafft dem Erzgebirge eine zentrale Kompetenz in diesem Bereich, bindet Fachkräfte und zieht Kunden aus dem nationalen und internationalen Produktionsumfeld in die Region. Das Recycling Center wird so ein Alleinstellungsmerkmal für die Region darstellen.
„Die Wiederverwendung der eingesetzten Ressourcen ist sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht zwingend geboten. Momentan gibt es weder Anlagenbauer noch Dienstleistungsanbieter mit den entsprechenden Kompetenzen zum Recycling von Smart Composites oder Multimaterialverbünden am Markt,“ stellt Johannes Leis, der Verbundkoordinator vom Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. (STFI) in Chemnitz fest. „Doch die angestrebte Transformation des Erzgebirges hin zu einem führenden Entwicklungszentrum und Anbieter von Smart Composites erfordert ebenfalls die Betrachtung und Reduktion des ökologischen Fußabdrucks dieser Technologie über den vollständigen Produktlebenszyklus hinweg,“ führt Johannes Leis weiter aus.
Um geeignete Konzepte, Technologien und Prozessketten zu entwickeln, wird auf bestehende Technologien, Prozesse und Anlagen aus den Bereichen der Textil- und Kunststofftechnik sowie der Elektrotechnik der Projektbeteiligten zurückgegriffen. Im Projekt TRICYCLE haben sich kompetente Partner aus dem Erzgebirge zusammengefunden, die ihre speziellen Expertisen in das Recyclingsystem einbringen. Unter Leitung des STFI als Verbundkoordinator mit seiner über 30-jährigen Erfahrung in der Textilbranche und speziellem Know-how im Recycling von Carbonabfällen haben sich weitere Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammengefunden. Dazu zählen das Textilunternehmen Curt Bauer GmbH, die Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb der TU Chemnitz, das Ingenieurbüro Matthias Weißflog, der Hersteller für Faserverbundbauteile Cotesa GmbH, der Spezialvlieshersteller Norafin Industries (Germany) GmbH, das Recyclingunternehmen Becker Umweltdienste GmbH und die Hörmann Rawema Engineering & Consulting GmbH. Am Ende der Projektlaufzeit sollen ein einsatzfähiges, technologisches Recyclingkonzept für die zukünftigen entstehenden smarten Produkte sowie die in der Produktion entstehenden Abfälle (bspw. durch fehlerhafte Bauteile und Randbeschnitte) und ein Konzept für den Aufbau eines Recycling Centers vorliegen, das im Erzgebirge entstehen soll. Das Projekt TRICYCLE trägt vollumfänglich zum Strukturwandel im Erzgebirge bei, in dem es die Region als führenden Hightech-Standort für Smart Composites mit Nachhaltigkeitskonzept voranbringt.
Über „SmartERZ – Smart Composites Erzgebirge“
Im Frühjahr 2019 erhielt das Innovationsvorhaben SmartERZ aus dem Erzgebirge die Förderzusage im Programm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ziel des Bündnisses ist die Initiierung eines innovationsgetriebenen Strukturwandels in der Wirtschaftsregion Erzgebirge. Der Fokus liegt dabei auf der Funktionalisierung von innovativen Werkstoffverbunden (Composites). Um diese zu erforschen und Anwendungen zu entwickeln, ist eine Verzahnung unterschiedlichster Disziplinen erforderlich. 200 Netzwerker aus Unternehmen, regionaler Forschung und Gesellschaft haben sich bislang in SmartERZ zusammengefunden. Das enorme Innovations- und Wachstumspotential derartiger Materialien nutzt die Region Erzgebirge zur Transformation zum Hightech-Standort.
SmartERZ versteht sich als branchen- und unternehmensübergreifendes Technologiecluster, das langfristig regionale Wertschöpfung generiert. Hauptinitiatoren sind die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH als Bündniskoordinator und die TU Chemnitz. Das Bündnis wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programmes „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert.
Weitere Informationen: www.smarterz.de
Die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH (WFE), eine hundertprozentige Gesellschaft des Erzgebirgskreises, fungiert als Dienstleister für ansässige Unternehmen, Gewerbetreibende, Existenzgründer, Kommunen, Schulen und weitere Kooperationspartner. Stark vernetzt in der Region ist die Gesellschaft deshalb ein kompetenter Partner, um über aktive Projektarbeit den Wirtschaftsstandort auch künftig wettbewerbsfähig zu gestalten. Services und Beratungsleistungen sind auf die besonders heterogene und kleingliedrige Wirtschaftsstruktur der Erzgebirgsregion ausgerichtet. Die WFE kann schnell und bedarfsgerecht auf Marktgegebenheiten reagieren und Lösungsangebote gemeinsam mit und für Unternehmen entwickeln.
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