Gesundheitssystem sieht keine Gesundheit für die Ärztinnen und Ärzte vor

Der Arbeitskreis junge Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund hat sich in diesem Jahr intensiv mit dem Thema „Salutogenese“ auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang eine Umfrage unter 850 Assistenzärzt:innen durchgeführt. Das Ergebnis dieser Umfrage ist erschreckend: Ärztegesundheit gilt in unserem Gesundheitssystem offensichtlich als nachrangig.

Die Umfrage zeigt, dass die Befragten durch den Krankenhausalltag psychisch und physisch oft überlastet sind. Dies lässt sich vor allem auf die zu hohe Arbeitsbelastung zurückführen. Etwa 90 Prozent der Umfrageteilnehmenden arbeiten deutlich mehr als es ihrem Stellenanteil entspricht, obwohl nur knapp die Hälfte der Opt-Out-Regelung zugestimmt haben. Nach wie vor werden Überstunden in etwa einem Viertel der Krankenhäuser nicht erfasst. Über 40 Prozent der befragten Assistenzärzt:innen können sich außerdem nicht auf ihre Dienstplanung verlassen. Bei über 13 Prozent ist sogar die Urlaubsplanung unzuverlässig. Besonders gravierend ist, dass es bei über 95 Prozent der Umfrageteilnehmenden keine Klinikkonzepte gibt, mit denen Dienstausfälle von KollegInnen aufgefangen werden können. „Ohne Balance zwischen Belastung und Entspannung steigt das Gesundheitsrisiko unseres Berufes immer mehr. Hier muss dringend nachgebessert werden“, fordert Dr. Moritz Völker, Vorsitzender des Arbeitskreises junger Ärztinnen und Ärzte. In der Umfrage gaben 66 Prozent an, dass ihre Abteilung praktisch dauerhaft am Limit arbeitet. „Jeder zweite plant eine Reduzierung des Stellenanteils, um wieder auf eine gesundes Arbeitspensum zu kommen – das würde unser Gesundheitssystem völlig überlasten,“ so Völker weiter.

Ein gesundheitsfördernder Umgang der Ärzteschaft mit der eigenen Gesundheit ist elementar. Über 45 Prozent der Befragten haben bisher keinen Hausarzt oder eine Hausärztin. Sie haben keine Zeit, sich eine Praxis zu suchen und setzen kritischerweise auf Selbstmedikation. In der Umfrage gaben fast 40 Prozent an, schon häufig trotz Krankheitsgefühl gearbeitet zu haben, bei über 10 Prozent war dies sogar schon sehr häufig der Fall. Die Befragten begründen dies überwiegend mit ihrem eigenen Pflichtbewusstsein und dem Wunsch, die Kolleg:innen nicht im Stich zu lassen, damit diesen nicht noch mehr Arbeit entstünde. „Dieses Vorgehen schadet nicht nur dem Einzelnen, sondern erfordert auch vor dem Hintergrund der morbiden Patient:innen, mit denen Ärzt:innen in ihrem Arbeitsalltag zu tun haben, einen Systemwechsel“, erklärt macht Völker deutlich.

Über 73 Prozent der Befragten haben das Gefühl, dass ihnen die Freude an der Arbeit verloren geht. „Und das bei Ärzten in Weiterbildung, also in den ersten Berufsjahren. Es besteht die akute Gefahr, dass diese KollegInnen nicht nur weiter ihre Stelle reduzieren, sondern dem Gesundheitssystem ganz verloren gehen. Dann wird der Ärztemangel eine ganz neue Dimension erreichen.“ befürchtet Völker. Für 87,5 geht das auf die zu hohe Arbeitsbelastung zurück, aber auch die Unzufriedenheit mit dem Gesundheitssystem an sich ist ausschlaggebend. Die Befragten haben nach ihrem Empfinden zu wenig Zeit für ihre Patient:innen, kritisieren die geringe Anerkennung für ihre Arbeit und können in der Hektik des Arbeitsalltags ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht werden.

Sie fordern eine verlässliche Dienstplanung, ausreichend Personal, geregelte Arbeitszeiten, strengere Arbeitszeitkontrollen, Delegation nicht-ärztlicher Tätigkeiten und kluge Digitalisierung. Außerdem wünschen sie sich einen wertschätzenden Umgang innerhalb des Kollegiums, weniger Bürokratie und die Möglichkeit, einer regelmäßigen Mittagspause entsprechend dem gesetzlichen Anspruch. Dann können sie sich vorstellen, ihre Arbeit in Zukunft wieder zufrieden und langfristig auch gesund ausführen zu können.

Die Umfrage finden Sie hier.

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